Taubenportrait

Ein missverstandener Vogel


Fakten

In der Regel erfreuen sich Wildvögel großer Beliebtheit, während viele Menschen ein Problem mit Stadttauben haben.
Was die meisten nicht wissen ist, dass Stadttauben keine Wildvögel sind und sich von ihren wilden Artgenossen (Ringeltaube, Türkentaube und Hohltaube) grundlegend unterscheiden.

Stadttauben wurden aus der Wildform der Felsentaube gezüchtet und domestiziert. Die im Stadtbild allgegenwärtige Straßentaube ist ein Nachkomme von domestizierten Haus-, Brief- und Hochzeitstauben und demnach genauso als Haustier zu betrachten wie ein streunender Hund oder eine streunende Katze. Ein domestiziertes Tier ist in Bezug auf Nahrung, Lebensraum und Gesundheit ganz auf den Menschen angewiesen, was auf ein Wildtier nicht zutrifft. Wo keine Menschen, da auch keine Stadttauben.



Lebensraum: Ganz wie ihr wilder Vorfahre, die Felsentaube, brauchen Stadttauben Nieschen für ihre Nester. Es wundert nicht, dass sie sich in felsenähnlichen Strukturen wie Brücken ,Nieschen in Gebäuden oder Dachböden aufhalten. Angesichts mangelnder geeigneter Brutplätze unter Berücksichtigung großer Stadttaubenpopulationen, brüten Stadttauben in der Regel unter miserablen hygienischen Bedingungen, was Krankheiten befeuert.



Angezüchteter Brutzwang: Da Haustauben früher neben Federn und Fleisch auch Lieferant von Eiern waren, wurde ihnen vom Menschen häufiges Brüten angezüchtet. Im Gegensatz zu einem Wildvogel, der lediglich in der Brutsaison zwischen April und Oktober zwei bis drei mal brütet, brütet eine Stadttaube ganzjährig, was den stetigen Populationswachstum erklärt. Hier ist Eiertausch, das Tauschen der Eier gegen Attrappen, in einem betreuten Taubenschlag das einzige effiziente Mittel der Populationskontrolle.



Nahrung: Die natürliche Nahrung der Stadttaube sind Körner und Samen. Nur aus Verzweiflung vor Hunger ernähren sie sich von menschlichem Abfall. Denn Körner sind in der Stadt kaum und wenn, nicht im ausreichenden Maß zu finden. Was dazu führt. dass die Tiere unter – und mangelernährt sind und daher aufgrund ihres schlechten Immunsystems, in den meisten Fällen auch sehr krank. Vor allem hier zeigt sich wie stark Stadttauben auf den Menschen angewiesen sind.



Vorurteile

Sind Stadttauben wirklich so gesundheitsgefährdent wie von Medien, Vergrämungsfirmen und Schädlingsbekämpfern behauptet wird? Nein, denn realistisch betrachtet zeigen diverse Studien, dass von Hunden und Katzen aufgrund des engen Körperkontakts mehr Gefahr ausgeht.

 

Eine Studie hat die Gefährdungseinstufung von Stadttauben untersucht und kommt zu einem anderen Ergebnis. („Gefährdungseinstufung der Stadttauben? Überprüfung aktueller Aussagen aus dem Internet auf ihren Wahrheitsgehalt“. Mirja Kneidl-Fenske, Tierärztin und Michaela Dämmrich, Landesbeauftragte für den Tierschutz in Niedersachsen. Stand 29. Juli 2017.).

Hier von der Erna Graf Stiftung sehr übersichtlich zusammengefasst:

    Aspergillose (Pilz)

Behauptung: Aspergillose (Pilz) – Zerstörung der Lunge
Richtigstellung: Kein Tier ist Überträger einer Aspergillose! Schimmelherde des Cryptococcus neoformans können sich auf Erde und auch auf altem Taubenkot bilden. Bei hoher Exposition in mit Schimmelpilzsporen gesättigter Luft kann eine Infektion erfolgen.
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Encephalitis (Virus)

Behauptung: Encephalitis (Virus) – Nervenentzündung
Richtigstellung: Eine Enzephalitis ist eine Gehirnentzündung. Weder das Robert-Koch-Institut (Berlin) noch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (Hamburg) haben Informationen darüber, dass Tauben Enzephalitis übertragen. Falls damit PMV gemeint ist, haben Tauben auch da eine Sonderform cPMV, die keine nennenswerte Rolle als Zoonose spielt.
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Histoplasmose (Pilz)

Behauptung: Histoplasmose (Pilz) – Zerstörung der Lunge
Richtigstellung: Tauben sind als Haus- und Nutztier potentielle Überträger. Allerdings sieht das Robert-Koch-Institut die Verbreitung der Histoplasmose in den USA, Zentral- und Südamerika, Karibik, Afrika, Indonesien, Australien und vereinzelt in Europa (hier nur in Fledermaushöhlen).
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Kokzidose (Pilz)

Behauptung: Kokzidose (Pilz) – Zerstörung der Lunge
Richtigstellung: Kokzidien sind keine Pilze, sondern Einzeller. Typische Taubenkokzidien, die mit dem Kot ausgeschieden werden, sind harmlos für den Menschen und andere Säugetiere.
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Listeriose (Bakterium)

Behauptung: Listeriose (Bakterium) – Hirnhautentzündung
Richtigstellung: Tauben können diesen Erreger zwar ausscheiden, aber die größte Bedeutung als Infektionsquelle haben kontaminierte Lebensmittel. Ein Infektionszusammenhang mit Tauben wird im Robert-Koch-Jahrbuch 2015 nicht genannt.
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Myxovirose (Virus)

Behauptung: Myxovirose (Virus) – Augenentzündung
Richtigstellung: Myxoviren ist eine veraltete Bezeichnung für Orthomyxo- und Paramyxoviren. Beide haben für den Menschen keine Bedeutung.
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Ornithose / Psittakose (Bakterium)

Behauptung: Ornithose / Psittakose (Bakterium) – Tödliche Lungenentzündung
Richtigstellung: Ornithose sind für Vögel und Menschen nur noch meldepflichtig, weil die Krankheit mit Antibiotika gut zu behandeln ist. Die Symptomatik dieser Krankheit ähnelt einer Grippe. Das Ro- bert-Koch-Institut in Berlin bestätigt 2016, dass es in den letzten 10 Jahren nur zwei nachgewiesene Fälle von Ornithosen durch Tauben gab. Bei einer Bevölkerung in Deutschland von 82.176.000 (Stand 2015) und einem Zeitraum von 10 Jahren, entsprechen 2 Erkrankungen einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 420 Millionen (also der Wahrscheinlichkeit, 5 x hintereinander den Eurojackpot zu knacken). Insgesamt erkrankten in der BRD von 2007 bis 2016 153 Menschen an Ornithose (d.h. 15 pro Jahr, Wahrscheinlichkeit 1 …: 5,5 Millionen), die Kontakt zu Gänsen, Enten, Wellensittichen, Papageien, Hüh- ner und eben auch Tauben hatten.
Fazit: Die Behauptung ist maßlos übertrieben.

    Salmonellose (Bakterium)

Behauptung: Salmonellose (Bakterium) – Lebensmittelvergiftung
Richtigstellung: Die Salmonellen, die Tauben befallen, sind taubenspezifisch (Salmonella typhimurium var. copenhagen). Sie sind keine Zoonose und daher für Menschen harmlos.
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Toxoplasmose (Einzeller)

Behauptung: Toxoplasmose (Einzeller) – Entzündung der Leber und Lunge
Richtigstellung: Tauben sind potentielle Überträger, wie alle Warmblüter. Nach dem Robert-Koch-Insti- tut sind allerdings hauptsächlich zwei Infektionswege für die Infektion des Menschen verantwortlich: orale Aufnahme umweltresistenter Oozysten über Ausscheidungen der Katze (z. B. ungewaschenes Gemüse), sowie die Aufnahme von sogenannten Gewebszysten, durch Fleisch infizierter Tiere (z. B. Rohwurst,
Hackepeter).
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Typhus (Bakterium)

Behauptung: Typhus (Bakterium) – Tödliche Durchfallerkrankung
Richtigstellung: Typhus ist eine Erkrankung, die durch spezielle Salmonellenstämme (Salmonella typhi) verursacht wird. Diese spielen bei Tauben keine Rolle.
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Trichomonasis (Einzeller)

Behauptung: Trichomonasis (Einzeller) – Schwellungen
Richtigstellung: Eine Trichomoniasis ist eine Geschlechtserkrankung, die beim Geschlechtsakt von Mensch zu Mensch übertragen wird (Trichomonas vaginalis). Bei Tauben kommen Trichomonas gallinae vor. Diese haben für den Menschen keine Bedeutung und werden zudem nicht über Kot, sondern von erwachsenen Tauben auf die jungen Tauben beim Füttern übertragen, bzw. auf andere Vogelarten durch Aufnahme kontaminierten Wassers.
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    H5N1 – Vogelgrippe

Behauptung: “Da selbst alter, vertrockneter Taubenkot noch lebende Erreger der Vogelgrippe beherbergen kann, ergibt sich die unbedingte Notwendigkeit einer professionellen Taubenkotbeseitigung.”
Richtigstellung: Das Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, wies 2015 nach, dass Tauben eine hohe Resistenz gegen Vogelgrippe und eine sehr geringe Virusausschei- dung …haben. In Niedersachsen durften während der Vogelgrippe 2017 Tauben transportiert und ausge- stellt werden, weil sie bei der Übertragung der Geflügelpest keine Rolle spielen.
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Taubenzecke – Argus relexus
    
Menschen sind vor Taubenzecken geschützt, solange Tauben als Wirt vorhanden sind. Sie können den Menschen als Fehlwirt befallen, sterben aber nach wenigen Tagen ab. Die mögliche Schadwirkung geht von Hautinfektionen an der Bisswunde aus. Eine Übertragung von Krankheitserregern wie Borreliose oder FSME durch Taubenzecken konnte bislang in keinem einzigen Fall nachgewiesen werden.
Fazit: Die Behauptung stimmt nur bedingt.

    Taubenfloh – Ceratophyluss columbae

Er kann durchaus auch für den Menschen als Lästling auftreten.
Fazit: Die Behauptung stimmt.

    Große Taubenlaus – Hohostielle lata

Richtigstellung: Dieses Tier gibt es nicht. Es gibt Federlinge, die hochartspezifisch     sind und bei Tauben ausschließlich Federsubstanz bzw. Hautschuppen fressen. Sie sind am Menschen nicht interessiert.
Fazit: Die Behauptung ist falsch.

    Vogelmilbe – Dermynyssus gallinae

Tauben können von dem Parasiten betroffen sein. Seine Hauptschadwirkung wird durch Blutsaugen verursacht. Für den Menschen ist der Erreger ein Lästling und könnte theore- tisch, ebenso wie die Zecke, Krankheiten übertragen, was aber bisher nicht vorkam. Vogelmilben gibt es bei vielen Vogelarten.
Fazit: Die Behauptung stimmt nur bedingt und trifft nicht nur auf Tauben zu.

Erna Graf Stiftung


Auch der Tierarzt Dr. Jens Hübel hat sich mit dem Gefährdungspotential von Stadttauben beschäftigt und kommt zu dem Ergebnis, dass in den meisten Fällen keine Ansteckungsgefahr besteht bzw. die gemeldeten Fälle von Ansteckung in Taubenschlägen stattfanden und Hygienevorschriften missachtet wurden.


Gefährdungspotential von Stadttauben
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